Neue Sorgfaltspflichten für Unternehmen des Agrar- und Ernährungssektors

Unternehmen des Agrar- und Ernährungssektors treffen mit Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) sowie der Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) weitreichende Sorgfaltspflichten, deren Einhaltung behördlichen Überprüfungen zugeführt werden kann.

 1) Wer ist betroffen?

Betroffen sind Unternehmen sowie Händler, die entwaldungsbezogene Rohstoffe samt zugehörigen Produkten Inverkehrbringen oder Produkte, die auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden. EUDR-relevante Produkte sind beispielsweise Rinder, deren Fleisch, aber auch Leder und Felle, Soja, Holz, Kakao, Kakaobohnen, Kakaopulver, aber auch Schokolade oder kakaohaltige Lebensmittel. Eine abschließende Auflistung findet sich in Anhang I der EUDR.

2) Ab wann gelten die neuen Sorgfaltspflichten

Im Dezember 2022 hat sich die EU auf die Annahme der EUDR geeinigt.

Die EUDR ist seit dem 29.06.2023 in Kraft.

Das Europäische Parlament hat beschlossen, die Umsetzung der EUDR um ein Jahr zu verschieben.

Ab dem 30.12.2025 wird die EUDR für Großunternehmen gelten.  

Ab dem 30.06.2026 werden die Regelungen auch für Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen anzuwenden sein.

 

3) Worauf beziehen sich die Sorgfaltspflichten?

Die Rohstoffe und Erzeugnisse müssen gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugungslandes hergestellt worden sein.

Die Sorgfaltspflichten beziehen sich auf:

  • Schlimmste Formen der Kinderarbeit für Kinder unter 18 Jahren,
  • Formen der Zwangsarbeit,
  • Diskriminierung bei der Arbeit, z.B. beim Lohn
  • Missachtung der Koalitionsfreiheit,
  • Missachtung des Arbeitsschutzes, wenn hierdurch die Gefahr von Unfällen bei der Arbeit oder arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren entstehen,
  • Einsatz von Sicherheitskräften, die Gewalt anwenden oder die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit beeinträchtigen,
  • Widerrechtliche Zwangsräumungen oder widerrechtlicher Entzug von Land, Wäldern etc.,
  • Vorenthalten eines angemessenen Lohns,
  • Schädliche Umweltveränderungen, die zur Beeinträchtigung von Menschen führen können,
  • Umweltbezogene Risiken, die entweder zugleich dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen oder konkrete schadstoffbezogene Umweltrisiken darstellen.

 

4) Beispielhafte Verdeutlichung (heimisch erzeugtes Rind)

Beispielhaft werden die Regelungen anhand der Lieferkette für heimisch erzeugte Rinder erläutert. Sie betreiben einen kleinen oder mittleren Aufzucht-/Mastbetrieb mit dem Sitz in der EU und verkaufen an den Fleischverarbeitungsbetrieb. Sie bringen damit ein nach Anhang I der EUDR relevantes Erzeugnis erstmals auf dem Unionsmarkt in Verkehr. Damit sind Sie ein vorgelagerter KMU-Marktteilnehmer, Art 2 Nr. 15. Sie müssen Sorgfaltspflichten erfüllen, Art 4 Abs. 1 und eine Sorgfaltserklärung im Informationssystem einreichen.

Da Sie als Rinderzuchtbetrieb selbst lebende Rinder erzeugen, müssen Sie zur Erfüllung Ihrer Sorgfaltspflichten sicherstellen, dass die Rinder im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften (alle einschlägigen regionalen, nationalen und EU-Rechtsvorschriften) erzeugt wurden. Daneben müssen Sie der Anforderung nachkommen, dass die Rinder auf einer Fläche erzeugt wurden, die nach dem 31.12.2020 nicht mehr entwaldet wurde.

Der Fleischverarbeitungsbetrieb nutzt das Rind zur Herstellung von Fleisch und rohen Häuten/Fellen von Rindern und bringt diese wiederum erstmals auf dem Unionsmarkt in Verkehr. Der Fleischverarbeitungsbetrieb ist, da er ein relevantes Produkt im Sinne der EUDR in ein anderes relevantes Produkt umwandelt, ein nachgelagerter Nicht-KMU-Marktteilnehmer und muss seinerseits Sorgfaltserklärungen vorweisen, zunächst aber feststellen, dass vorgelagerte Sorgfaltserklärungen gem. der EUDR erfüllt wurden, Art 4 Abs. 9.

 

5) Beispielhafte Verdeutlichung (Kauf von Sojamehl zur Fütterung von Rindern)

Die Sorgfaltspflichten wirken sich schlussendlich bis zum Verkauf an den Verbraucher aus, denn auch der Supermarkt, der vom Fleischverarbeitungsbetrieb beliefert wurde und selbst ein sogenannter Nicht-KMU-Händler ist, muss eine Sorgfaltserklärung für die Fleischerzeugnisse vorlegen und feststellen, dass die vorgelagerten Sorgfaltspflichten gemäß der EUDR erfüllt wurden, Art 4 Abs. 9. Es kann auf vorgelegte Sorgfaltserklärungen unter Angabe der entsprechende Referenznummern verwiesen werden.

 Ein weiteres denkbares Szenario wäre, dass Sie als Rinderzuchtbetrieb zur Fütterung Ihrer Rinder Sojamehl verwenden. Sojamehl ist ein EUDR-relevantes Produkt (HS 1208 10), sodass Ihrerseits im Rahmen einer Sorgfaltspflichtregelung sichergestellt werden muss, dass das Sojamehl-Futter entwaldungsfrei hergestellt wurde. Soweit das Futtermittel von einem auf dem Unionsmarkt ansässigen Futtermittelhändler bezogen wurde, können Sie auf einschlägige Rechnungen, Referenznummern vorgelagerter Sorgfaltserklärungen oder andere Unterlagen des Futtermittelhändlers verwenden, aus denen hervorgeht, dass das Futtermittel entwaldungsfrei hergestellt wurde.

Die Nachweise sollten die Lebensdauer der Rinder bis hin zu einem Höchstzeitraum von fünf Jahren abdecken. Gegebenenfalls sind die Nachweise den zuständigen Behörden auf deren Verlangen vorzulegen.

Wenn Sie als Rinderzuchtbetrieb allerdings das Sojamehl in die EU einführen, um es an Ihre Rinder zu verfüttern, so handelt es sich dabei um einen nicht auf dem Unionsmarkt ansässigen Futtermittelhändler, sondern um einen so genannten vorgelagerten KMU-Markteilnehmer. Auch dieser ist verpflichtet die Sorgfaltspflichten zu erfüllen und eine Sorgfaltserklärung an das Informationssystem zu übermitteln sowie die Referenznummer in die Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr für das Sojamehl anzugeben. Der Futtermittelhändler nutzt Referenznummern und andere Unterlagen des importierten Sojamehls, um nachzuweisen, dass das Viehfutter entwaldungsfrei hergestellt wurde.

 

 6) Was müssen Unternehmen tun, um die Sorgfaltspflichten zu erfüllen?

Um der Sorgfaltspflicht nachzukommen, müssen Systeme in den Bereichen Risikomanagement, Risikoanalyse, Abhilfemaßnahmen und Beschwerdeverfahren aufgebaut und Präventionsmaßnahmen entwickelt werden. Erforderlich ist daneben, die Aufsetzung einer Grundsatzerklärung sowie die Erfüllung von Dokumentations- und Berichtspflichten. Es sollten jährliche Risikoanalysen im eigenen Geschäftsbereich und für unmittelbare Zulieferer durchgeführt werden und bei Feststellung von Risiken Präventionsmaßnahmen ergriffen werden.

Abschließend möchten wir darauf hinweisen, dass die Regelung des Art 34 EUDR vorsieht, dass die Europäische Kommission den Anwendungsbereich der Verordnung, insbesondere die relevanten Rohstoffe und/oder die Erzeugnisse erweitern kann. Mais und Biokraftstoffe sind als potentielle Anwärter bereits im Verordnungstext benannt.